Mensch.Recht.Profession. Menschenrechtsorientierung in der Jugendhilfe stärken.

Zwei inspirierende Vorträge und der Austausch mit Kolleg*innen der Jugendarbeit in Sachsen führten uns heute zu einer Tagung der agjf Sachsen nach Chemnitz. Prof. Dr. habil. Albert Scherr ging, ebenso wie seine Kollegin Prof. Dr. Nivedita Prasad der Frage nach ob sich Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession verstehe und welche Folgen für das Professionsverständnis, aber auch die Praxis Sozialer Arbeit daraus resultierten.
Herr Scherr appellierte an das Fachpublikum sich die Menschenrechte nicht nur oberflächlich anzusehen und drei Ebenen zu unterscheiden:

  1. Menschenrechte als normative Prinzipien: Werte und Annahmen aus denen sich konkretes Handeln für und mit Adressat*innen ableiten lässt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 habe einen empfehlenden Charakter. Daher ist es nötig die zweite Perspektive zu beachten.
  2. Menschenrechte als einklagbares Recht. Die meisten vermeintlichen Menschenrechtsverletzung sind nicht einklagbar. Lediglich daraus resultierende Gesetze wie bspw. der Sozialpakt seien einklagbar. Professionelle Soziale Arbeit müsse insbesondere an geltendem nationalen Recht orientieren.
  3. Menschenrechte als politische Konzeption, die ein Diskursfeld eröffnen wie politische Systeme zu gestalten seien.

Daraus folge, dass moralisch empörende Verhältnisse oder Situationen (bspw. deutsche Abschiebepraxis) gegen normativen Prinzipien verstöße, jedoch nich in allen Fällen juristisch dagegen vorgegangen werden könne.

Von Sozialer Arbeit erwarte er u.a. ein kompetentes und kluges Eintreten für Flüchtlingsrechte, den Einsatz für eine angemessene Unterbringung, Beschulung etc. von geflüchteten Menschen (insbesondere von Kindern) und politische Bildung und Gemeinwesenarbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus im lokalen Umfeld.

Frau Prasad, Leiterin des Studienganges Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession, plädierte dafür, dass Soziale Arbeit auch jenseits von nationalem Recht agieren müsse, da dieses sehr schnell verschiebbar sei. Menschenrechte gälten jedoch weltweit und böten eine geeignetere Handlungsgrundlage, die auch zivilen Ungehorsam einschlösse. Sie plädierte dafür, neben Hilfe und Kontrolle als die zwei unumstrittenen Mandate Sozialer Arbeit, die wissenschaftliche Fundierung von Methoden sowie den Internationalen Ethikkodex Sozialer Arbeit als drittes Mandat hinzuzuziehen. Hierüber ist ihrer Meinung nach auch eine Selbstmandatierung möglich, im Sinne der Menschenrechte zu handeln. Frau Prasad setzt sich für die internationale Beschwerdeverfahren zur Durchsetzung der Menschenrechte ein und ermutigte dazu, etwaige Verletzungen zur Anzeige zu bringen. Hierfür stünden insbesondere der Kinderausschuss der UN sowie die finanzielle Unterstützung durch den Rechtshilfefond des BUMF (Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) zur Verfügung.

In einer anschließenden Workshopphase wurde in zwei Gruppen mit den Referent*innen, in einer dritten Gruppe konkrete Erfahrungen und Handlungsweisen in der mobilen Jugendarbeit diskutiert.

Wir nehmen neue theoretische Anregungen zu weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema Menschenrechtsorientierung der Sozialen Arbeit mit und werden in unseren internen und externen Netzwerken darüber im Austausch bleiben was dies auf der Handlungsebene bedeutet. Das Individualbeschwerdeverfahren der UN ist dabei eine Möglichkeit aber auch in der Kinder- und Jugendarbeit ist ein Erfahrungsaustausch konkreter Erfahrungen mit Menschenrechtsverstößen, dem eigenen Professionsverständnis und daraus resultierenden Handlungen nötig.